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Die goldene Welle
Gold, heißt es, ist ein Krisenmetall. Die Nachfrage steige, wenn es der Welt und der Wirtschaft schlecht gehe. Historisch gesehen mag das so gewesen sein. Doch in den vergangenen Jahren haben Sparer eine andere Erfahrung gemacht. Mit den Kriegen in der Ukraine und in Nahost erlebt die Welt zwar schwere Konflikte mit Eskalationspotenzial, die globale Ökonomie befindet sich jedoch in einem guten Zustand. Abgesehen von Deutschland stehen die Zeichen in fast allen großen Volkswirtschaften auf Wachstum, auch die Inflation – die ökonomische Geißel der vergangenen Jahre – geht deutlich zurück. Vor allem aber haussieren die Aktienmärkte. Dennoch steigt Gold im Wert. Das gelbe Metall markierte gerade an den Rohstoffmärkten ein Rekordhoch von 2216 Dollar. Erstmals mussten für eine Unze (31,1 Gramm) umgerechnet gut 2050 Euro bezahlt werden.
Von der breiten Öffentlichkeit kaum bemerkt hat Gold eine neue Bedeutung erlangt. Selbst für skeptische Sparer, die dem Metall bislang wenig abgewinnen konnten, lohnt es sich, Bekanntschaft mit der Anlageklasse zu machen. Blickt man auf das vergangene Vierteljahrhundert zurück, hat Gold das Vermögen nicht nur gegen Extremszenarien abgesichert – es hat auch einen wesentlichen Beitrag zum Vermögenszuwachs geliefert. „Gold ist ein knappes Gut, und in einer hoch verschuldeten Welt, in der die Geldmenge per Saldo erhöht wird, ist ein permanent steigender Goldpreis nicht verwunderlich“, sagt Hans Heimburger, Vermögensverwalter bei Gies & Heimburger.
Der Paradigmenwechsel zum Edelmetall als Renditebringer zeigt sich nicht zuletzt im Vergleich mit den Aktienmärkten. Seit 1999 kann Gold bei der Wertentwicklung mit den großen Indizes mithalten. In den gut 25 Jahren seit der Einführung des Euro schlägt das „Krisenmetall“ hiesige Börsenpapiere sogar deutlich. Ebenso wie Gold befindet sich der Deutsche Aktienindex (Dax) zwar auf einem Allzeithoch, kann in dem Zeitraum jedoch nur eine Jahresrendite von 5,3 Prozent vorweisen. Gold dagegen hat sich seit 1999 um jährlich 8,8 Prozent verteuert. Damit schlägt die älteste Währung der Welt sogar die hochgejubelte Wall Street, die – gemessen am S&P 500 – eine Rendite von 8,3 per annum Prozent geschafft hat.
In der Geschichte der modernen Finanzmärkte ist es ein Novum, dass ein Vermögenswert wie Gold sich über einen so langen Zeitraum im Tandem mit den Aktienbörsen nach oben bewegt und diese sogar in der Wertentwicklung hinter sich lässt. Nach der Freigabe des Kurses Anfang der 1970er-Jahre erlebte das gelbe Metall eine Rallye, der Preis vereinundzwanzigfachte sich binnen einer Dekade auf 850 Dollar. Die Börsen hingegen erlebten – inmitten von Inflation und Stagflation – eine schwere Zeit. US-Aktien notierten Anfang der 80er- im Wesentlichen auf dem gleichen Stand wie Ende der 60er-Jahre.
Nachfrage von Notenbanken
In den 1980er- und 1990er-Jahren zeigte sich ein entgegengesetztes Bild. Von wenigen Gegenbewegungen abgesehen tendierte der Preis 20 Jahre lang nach unten, sodass Gold vor der Jahrtausendwende mit 290 Dollar je Feinunze weniger als die Hälfte dessen wert war, was Investoren 1980 für eine Unze gezahlt hatten. In der Technologie-Euphorie der 1990er-Jahre war das gelbe Metall gar nicht gefragt. Interessanterweise wird auch der aktuelle Aufschwung an den Aktienmärkten von einer Begeisterung für „Tech“ getrieben. Mit einem entscheidenden Unterschied: Im schwungvollsten Börsenboom seit den 1990ern führt Gold kein Schattendasein, sondern ist zu einem zentralen Akteur geworden. Anleger sollten sich die Gelegenheit daher nicht entgehen lassen, ihr Vermögen mit dem Edelmetall zu diversifizieren. Die Gründe, die zu dem Gleichlauf von Gold und Aktien geführt haben, dürften auch in den kommenden Jahren erhalten bleiben – oder sich sogar zugunsten der ältesten Geldanlage der Welt verschieben.
„Der Trend zu Gold ist ein logischer Trend“, sagt Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter bei I.C.M. Independent Capital Management. Auch aus seiner Sicht dürfte sich der Aufwärtstrend „eventuell sogar noch Jahre“ fortsetzen. Hauptgrund ist, wie in den 1970er-Jahren, eine starke Zunahme der Verschuldung, vor allem der USA, der weltweit größten Volkswirtschaft, die auch die Leitwährung Dollar stellt. Bis Mitte des Jahres dürften sich die Verbindlichkeiten des amerikanischen Staates auf 35 Billionen Dollar türmen. Gold sei – anders als etwa die Aktienmärkte – nicht von der Entwicklung der Produktivität abhängig, sondern werde als eine Art „Versicherung“ gekauft, sagt Ehlhardt. Staaten sicherten damit ihre Währung und private Investoren ihr Vermögen ab. Das gelbe Metall weise kein „Gegenpartrisiko“ auf, es brauche also niemanden, der für die Einlösung bürgen müsse.
Waren es in den 90er- und Nullerjahren vor allem Privatanleger, die sich für das edle Metall interessierten, so treten seit 15 Jahren staatliche Notenbanken – nicht zuletzt Chinas und Indiens – als Käufer von Gold auf. „Regierungen sind damit einer der bestimmenden Faktoren geworden“, sagt Vermögensverwalter Heimburger. Gleichzeitig steigt die weltweite Fördermenge an Gold nicht mehr nennenswert an. Im vergangenen Jahr kamen 3700 Tonnen des gelben Metalls dazu – klingt nach viel, entspricht aber nur einer Zunahme um 1,8 Prozent. „Viele Minen sind deutlich über dem Produktionszenit. Die steigende Nachfrage trifft auf ein begrenztes Angebot“, erklärt Heimburger.
Der Ausstoß der Bergwerke scheint zudem eher zu sinken als zuzunehmen. „Die Goldförderung ist am Peak, die Produktion kann kaum noch gesteigert werden kann“, sagt auch Ehlhardt. Und wenn neue Minen eröffnet werden, produzieren sie zu deutlich höheren Preisen. „Die relativ hohen Förderkosten wirken unterstützend“, erklärt Peter Hoppe, geschäftsführender Gesellschafter von Hoppe Vermögensbetreuung. Sie seien seit dem Jahr 2000 um den Faktor 4,5 gestiegen.
Für ein starkes Signal halten viele Geldprofis den Umstand, dass der scharfe Zinserhöhungszyklus der vergangenen beiden Jahre keinen Einbruch beim Goldpreis herbeigeführt hat. Bei früheren Gelegenheiten hingegen hatten ihn steigende Zinsen am Kapitalmarkt gedrückt, da Anleger die hohen Renditen sicherer Staatsanleihen dem unverzinsten Gold vorzogen. Dass es diesmal anders war, wird als weiterer Beleg eines Paradigmenwechsels gewertet. „Ab Sommer 2024 dürfte eine Reihe von Notenbanken die Zinsen senken. Dies wird für weiteren Rückenwind beim Goldpreis sorgen“, meint Heimburger. Wie teuer das gelbe Metall noch werden könnte, lässt sich allerdings schwer vorhersagen. Setzt sich der Preistrend der vergangenen 25 Jahre in der kommenden Dekade fort, dürfte die Unze 2034 circa 4700 Euro kosten. Herrscht die weniger dynamische Tendenz der vergangenen zehn Jahre vor, wird der Unzenpreis in zehn Jahren bei knapp 4300 Euro liegen. So oder so scheint eine Verdopplung realistisch.
Maß halten ist die Devise
Interessanterweise haben Privatanleger in den westlichen Industrieländern ihre Goldbestände in der jüngeren Vergangenheit eher reduziert. Von einer „Gold-Hysterie“ wie etwa 1980 oder 2012 kann im Westen also keine Rede sein. Nach Ansicht von Portfoliomanagern sollte der Edelmetall-Anteil im Depot ein vernünftiges Maß dennoch nicht übersteigen und maximal zehn Prozent betragen. Denn Aktien bringen auf lange Sicht mehr Ertrag als der Rohstoff. Auch wenn die vergangenen 25 Jahre ein neues Kapitel in der Finanzgeschichte aufgeschlagen haben und Gold zu einem Jahrhundertinvestment geworden ist, sollten Anleger die wichtigste Regel der Geldanlage nicht vergessen: Maß halten. Das gilt auch bei der Angst- und Krisenwährung.